Cranio-sacrale Osteopathie - Pferdeosteopathie

Sabine Grewe
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Cranio-sacrale Osteopathie

Was ist Osteopathie

Der folgende Text stammt von dem 2003 tragisch bei einem Verkehrsunfall verstorbenen Herrn Pascal Evrard, der massgeblich für die Entwicklung und anfängliche Verbreitung der Pferdeosteopathie in Deutschland verantwortlich war.
Der Text ist vielleicht etwas umfangreich, gibt dafür aber einen aufschlussreichen Einblick in die Grundlagen und Möglichkeiten der cranio-sacralen Pferdeosteopathie.


CRANIO-SACRALE OSTEOPATHIE
und ihre Anwendung beim Pferd
PASCAL EVRARD D.O.

Es war William Gardner Sutherland (1873-1954), ein Schüler von Dr. Andrew Taylor Still, dem Begründer der Osteopathie, der entdeckte, dass der Schädel ein perfektes funktionelles und dynamisches System ist. Dieses System schien ihm geradezu geschaffen für feinsinniges Beobachten und Erfühlen.

Während seiner Untersuchungen widmete er sich besonders dem komplexen Aufbau der Gelenkoberflächen der einzelnen knöchern en Anteile des menschlichen Schädels. Je intensiver er sich mit dieser besonderen "Knochenkonstruktion" beschäftigte, umso mehr stellte sie ihn auch vor gewisse Rätsel: "Ist diese besondere Konstruktion für eine bestimmte Bewegung?"

Die Anatomen dagegen behaupteten, dass die Schädelknochennähte unbeweglich sind und dass der Schädel demzufolge eine starke, bewegungslose Struktur ist, die Gehirn und Kopfnerven schützt. Ihrer Meinung nach befinden sich die Schädelknochen in einer statischen und fixierten Position, mit Ausnahme des beweglichen Unterkiefers. Sutherland führte, trotz lauter Kritik seines wissenschaftlichen Umfeldes, seine Untersuchungen fort.

Es ist eine Tatsache, dass bei Betrachtung eines Schädels am Skelett Knochennähte festgestellt werden können, die einzelne Schädelknochen voneinander trennen und wiederum auch verbinden. Diese Knochennähte weisen unterschiedliche Formen auf: Rillen, Zähne, Zacken, usw.. Der Verlauf dieser Knochennähte wurde während der Entwicklung bestimmt und erlaubt eine Bewegung, die der Osteopath mit seinen Händen fühlen kann. Diese Bewegungen sind an allen Schädeln identisch.

Auf die Fragen: „Warum sind die Schädelknochen zu einem derart komplizierten Modell zusammengefügt?", "Warum bestehen die Knochennähte aus Strukturen, wie sie auch in echten Gelenken zu finden sind?" und, warum existieren Drehpunkte und Bewegungsrachen?" gab es für Sutherland nur eine Antwort: „Um Bewegung zu erlauben!"

Die Natur hat bekannterweise ihre Launen. Es bleibt aber denkbar, dass diese sich systematisch wiederholenden Phänomene einen Grund haben.


Der primäre Atmungsmechanismus PAM

Nach und nach arbeitete Sutherland daran seine Entdeckungen zu vervollständigen. Er fand heraus, das Hirn und Rückenmark sowie Hirn und Rückenmarksflüssigkeit eine Eigenbeweglichkeit haben. Das Hirn und Rückenmarkshäute, als auch die knöchernen Strukturen des Schädels mit denen diese in Verbindung stehen eine Beweglichkeit besitzen. Und dabei eine unwillkürliche Mobilität des Kreuzbeins existiert, da dieses über die Rückenmarkshäute mit den Hirnhäuten und dem Knöchernen Schädel verbunden ist.

Er beobachtet eine Dynamik in diesen eng zusammenhängenden Elementen. Diese Dynamik bezeichnet er als den „Primären Atmungsmechanismus"

Dieser Mechanismus, den man auch als cranio-sacralen Rhythmus bezeichnet, ist unabhängig von Herz- und Atemrhythmus und beeinflusst den Stoffwechsel des Organismus und jeder einzelnen Körperzelle. Die Beweglichkeit der Schädelstrukturen erlauben ein ständiges Ausdehnen und Zusammenziehen mit minimalen Ausmaß, welches durch sanftes und vorsichtiges Fühlen erfassbar ist.

Der PAM ist also eine eigenständige dynamische Einheit und sein Ursprung ist genauso geheimnisvoll wie der des Herzschlages. Über die bindegewebigen Umhüllungen von Muskeln, Organen und Knochen, wird dieser Rhythmus dem gesamten Körper weitergegeben. Der PAM ist gewissermaßen der „Motor", der die feinen unwillkürlichen Bewegungen im Organismus ermöglicht.

Das Ausdehnen und Zusammenziehen, die beiden Hauptphasen, fühlt der Osteopath mit seinen Händen und beurteilt dabei Rhythmus, Amplitude und Symmetrie dieser „Bewegungswelle". Dadurch das der gesamte Körper über bindegewebige Strukturen verbunden ist, kann auch der PAM an unterschiedlichen Stellen gefühlt werden. So wird auch verständlich, dass jede Einwirkung auf einen Körperteil (Muskel, Organ, Knochen) ein anderes ebenfalls beeinflusst.

Wenn es beispielsweise bei einem Pferd zu einem Beweglichkeitsverlust am Kreuzbein kommt ‚z.b. durch einen Sturz am Hindernis), wird sich auch die Beweglichkeit der Schädelknochen einschränken und es kann zu einer „Blockierung" kommen.

Ebenfalls kann es bei einem angebundenen Pferd, das plötzlich nach hinten zieht und sich in sein Halfter hängt, zu einer „Blockierung" des Hinterhauptbeines kommen, welches wiederum einen Beweglichkeitsverlust des Kreuzbeines nach sich ziehen wird und eventuell eine Beeinträchtigung im Becken-/ Hüftbereich verursachen kann.

Bei  der Behandlung eines solchen Falles versucht der Osteopath auf den PAM einzuwirken. Dies kann auf direktem Wege erfolgen durch Wirkung auf die knöchernen Strukturen, in diesem Fall auf die betroffenen Strukturen des Schädels. Oder aber auf indirektem Wege durch Wirkung auf die gegenseitige Spannung, in diesen Fall über Kreuzbein und / oder Becken.

Der Beobachter einer Sitzung der cranio-sacralen Osteopathie an einem Pferd, wird sich fragen, ob wirklich eine Behandlung stattfindet. Das Pferd steht ganz frei, ohne eine spezielle Position einzunehmen und es erfolgt keine offensichtliche „Manipulation". Der Osteopath bleibt eine Weile am Kopf des Pferdes, überprüft das Becken und geht von einer Extremität zur anderen, ohne den Eindruck zu erwecken, dass er viel macht. Er berührt seinen Patienten meistens nur sehr leicht und achtsam. Der Osteopath Maurice Poyet sagte: "Das Berühren ist nicht stärker als wenn, ein Schmetterling sich auf eine Blume setzt" Der cranio-sacral arbeitende Osteopath muss gewisser maßen mit Samthänden arbeiten.

Wenn der Beobachter jedoch das Pferd genau ansieht, kann er feststellen wie es der Behandlung folgt und sie genießt. Es fühlt sich nicht angegriffen, es sucht sein inneres Gleichgewicht, stellt sich immer wieder ein und dynamisiert oder sieht es mehrfach gähnen.

Für einen Osteopathen ist jede Bewegungseinschränkung. Jeder Knochen, jede Struktur sollte synchron und in Harmonie mit den anderen bewegen können. Jedes Element (knöchern als auch organisch) befindet sich in seinem eigenen Raum und sollte in allen Ebenen frei beweglich sein. Der Osteopath kann nicht mehr machen als ein verlorenes Gleichgewicht wieder herzustellen. Ziel der Behandlung ist die Verbesserung des strukturellen und dynamischen Gleichgewichtes in allen Körpersystemen und damit die Erhöhung der individuellen Lebensqualität.

Die cranio-sacrale Osteopathie kann als sanfte Behandlungsmethode bei sämtlichen Bewegungsauffälligkeiten sowie orthopädischen Problemen eingesetzt werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass man im Anschluss an die Behandlung immer die Wirkung der Selbstkorrektur des Organismus abwarten muss. A.T.Still sagte immer wieder: „Findet die Liäsion, behandelt sie und lasst die Natur wirken.

Eine zunehmende Zahl von Osteopathen und Wissenschaftlern hat die Forschung auf dem Gebiet der cranio-sacralen Osteopathie vorangetrieben und die Arbeiten von W.G. Sutherland fortgeführt. Die cranio-sacrale Behandlungsmethode hat sich als Teilbereich der Osteopathie entwickelt. Ihre Wurzeln liegen begründet in den Prinzipien der Osteopathie und sie ist eingefügt in deren ganzheitlichen Ansatz.

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